Finde Deine Standortbestimmung und lerne wie man diese zugunsten aller nutzen kann

Wie auch die Angehörigen jeder anderen Nation haben die Schweizer ihre besonderen Charakteristika, Fähigkeiten und Eigenschaften. Meist sind bestimmte Verhaltensweisen uns allerdings so selbstverständlich, dass wir nicht näher darüber nachdenken und sie oft mehr oder weniger unbewusst erleben. In der Regel bemerken wir sie erst dann, wenn Menschen aus verschiedenen Nationen und mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammenarbeiten und es dabei zu unerwarteten Situationen, Missverständnissen oder gar Spannungen kommt. Es lohnt sich also, die eigene Art und Weise, sich in der Welt zu bewegen und diese zu interpretieren, einmal genauer anzuschauen – es können spannende Erkenntnisse und Aha-Momente dabei herauskommen. Außerdem lernt man sich selbst besser kennen: Man entdeckt auf diese Weise die eigenen Stärken, die einem vorher vielleicht noch nicht so deutlich bewusst waren, und kann sie noch gezielter zum Nutzen aller einsetzen.

Anhand meiner Erfahrungen und Beobachtungen während der vielen Jahre, die ich nun in der Schweiz lebe, sind mir 3 Eigenschaften der Schweizer besonders ins Auge gefallen:

  1. Zurückhaltung und Diskretion
    Zunächst lässt sich feststellen: Schweizer kommen in der Regel eher introvertiert daher. Sie mögen es nicht so gerne, wenn jemand die Aufmerksamkeit zu stark auf sich zieht – in ihren Augen ist dies ein Zuviel an vordergründiger „Show“. Sie bevorzugen es, zunächst einmal ihr Gegenüber auf sich wirken zu lassen, anstatt sich selbst zu stark in den Vordergrund zu stellen. Dabei sind sie gute Zuhörer und stellen Fragen, um die Interessen ihres Gegenübers herauszufinden. Bevor sie ihre Antworten und Lösungen präsentieren, wollen sie zunächst einmal den anderen in seinem Anliegen ganzheitlich verstehen. Durch dieses respektvolle Vorgehen stellen sie ihr Gegenüber bzw. ihren Kunden in den Mittelpunkt, nicht sich selbst – sie holen ihn dort ab, wo er gerade steht, und drängen ihn nicht ungefragt in eine bestimmte Richtung. Auf diese Art erweisen sie ihrem Gesprächspartner großen Respekt. Schweizer sind auch eher zurückhaltend mit dem Zeigen von persönlichen Gefühlen – auch wenn sie in ihrem Inneren vielleicht große Freude empfinden, zeigen sie sich äußerlich eher ruhig und gefasst. Hier ist der Vorteil, dass auf diese Weise so schnell kein kurzlebiges „Strohfeuer“ an Emotionen entsteht, das keine reale Grundlage hat.
  2. Diplomatische Kommunikation
    Eine zweite Besonderheit der Schweizer besteht darin, dass sie eher indirekt kommunizieren, sozusagen „durch die Blume“. Sie möchten weder „mit der Türe ins Haus fallen“, noch andere Menschen durch zu direkte Aussagen verletzen – also verpacken sie ihre Aussagen gewissermaßen in eine schonende Umhüllung. Hier ein Beispiel aus meinem Privatleben, wie ich es einmal erlebt habe: Ein Trainingskollege antwortete auf meine Frage, ob er mit mir trainieren kommen wolle: „Ja, ich schaue mal!“ Ich freute mich und rechnete im Großen und Ganzen mit seinem Kommen. Doch leider musste ich feststellen, dass ich mich darin getäuscht hatte. Inzwischen habe ich aus Erfahrung verstanden: Wenn jemand sagt, „ja, ich schaue mal“, dann kommt er ganz bestimmt NICHT. Es ist nur die höfliche, dezente Schweizer Art und Weise, eine Absage, die in klaren und eindeutigen Worten nach ihrem Empfinden „zu hart“ klingen würde, etwas abzumildern und für den anderen „verdaulicher“ zu machen. Auch hier wird also die Perspektive des anderen in den Mittelpunkt gestellt. So ist dieses Verhalten seinem Ursprung nach ein Ausdruck des Respekts – man will den anderen vor der „harten Realität“ verschonen und seine Gefühle nicht verletzen.
  3. Hohe Verbindlichkeit
    Nun zu der dritten besonderen Eigenschaft, die mir aufgefallen ist: Schweizer legen hohen Wert auf die Einhaltung von abgemachten Zeiten und Zielen. Sie sind pünktlich da und gehen auch pünktlich wieder. Wenn sie einen Termin aus irgendeinem Grund nicht halten können, sagen sie nach Möglichkeit rechtzeitig Bescheid. Durch dieses Verhalten entsteht eine hohe Verlässlichkeit und Effizienz – die Zeit des anderen wird respektiert und der gemeinsame Termin oder das gemeinsame Meeting bestmöglich ausgenutzt. Auch hier steht wieder der Respekt vor den anderen sehr stark im Vordergrund.

Die besondere Kraft dieser 3 Eigenschaften

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schweizer sehr rücksichtsvolle und gemeinschaftlich orientierte Menschen sind – der Respekt vor ihrem Gegenüber, die Berücksichtigung seiner Wünsche und Interessen ist ihnen sehr wichtig und dies erwarten sie umgekehrt auch für sich selbst. Das sind wertvolle Eigenschaften, aus denen man im alltäglichen Miteinander großen Nutzen ziehen kann. Sehr einseitig gelebt, können sie natürlich auch gewisse Nachteile haben. Doch wenn man sich ihrer bewusst ist, kann man in jeder Situation den größtmöglichen Nutzen für sich und für andere daraus ziehen.

Was bedeutet dies für internationale Teams?

Daher ist es in einem gemischten Team immer so wertvoll, wenn die verschiedenen Nationalitäten, die dort zusammenkommen, einander in ihren jeweiligen Eigenarten und Charakteristika schätzen und respektieren – und im Idealfall sogar voneinander lernen. Dabei soll es nicht darum gehen, die eigene Authentizität zugunsten anderer, wesensfremder Verhaltensweisen aufzugeben, sondern im Gegenteil – sich selbst vollkommen zu erkennen und die eigenen Stärken so zu nutzen, dass die Kommunikation untereinander bestmöglich ablaufen kann. Und auch die anderen in ihren jeweiligen Besonderheiten wahrzunehmen und anzuerkennen.

Für alle Ausländer, die in der Schweiz leben oder arbeiten, ist es wichtig zu verstehen, wie ihre Schweizer Kollegen „ticken“ – nicht allein zu beharren auf der eigenen, hergebrachten Art, sondern sich an die neuen Gegebenheiten in ihrem Gastland flexibel anzupassen und sich mit ihnen zu befreunden. Und sich vielleicht sogar das eine oder andere zu ihrem eigenen Wachstum abzuschauen …

Nun zu Dir – sind Dir bestimmte, typische Schweizer Verhaltensweisen auch schon aufgefallen?

In welche unerwarteten, schwierigen oder vielleicht sogar witzigen Situationen bist Du schon einmal geraten? Erlebst Du das internationale Miteinander eher als inspirierend oder als spannungsreich? Schreib es mir.

Wenn Du Dir noch mehr „Lesefutter“ zu einem ähnlichen Thema wünschst, lies in meinem Buch das Kapitel über die Generation Y! Dort findest Du weitere Hinweise.

Ich bin gespannt auf Deine Kommentare!
Herzliche Grüsse

Patrick Vergult
Good is not enough